Dieser Beitrag ist auf dem Blog des Instituts für Kommunikation und Marketing der Hochschule Luzern erschienen. Zum Original geht es hier.

Das IKM Update «ShareCity: Gilt ‹Sharing is Caring› oder ‹Sharing is Scaring› für die Stadt der Zukunft?» vereinte Experten der Stadtperspektive und der Sharing Economy. Sechs Referate und sechs Impro-Theater-Einlagen beleuchteten das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln und gaben einen Ausblick auf die Stadt der Zukunft.

Die Zugentgleisung am Vorabend hätte auch Pech sein können, aber mit dem spontanen Car- Sharing, das auf sozialen Netzwerken unter #MitfahrenLuzern entstanden ist, hätte man sich keinen besseren Auftakt für das IKM Update ShareCity wünschen können. Eine weitere Besonderheit des IKM Updates: Die einzelnen Vorträge lockerte das Improvisationstheater «Ohne Wiederholung» auf, das jeweils spontane Inputs aus dem Publikum aufnahm und umsetzte.

Abwägen zwischen Fördern und Regulieren

Spontanität war aber nicht nur für den Tag des IKM Updates bezeichnend, sondern ist neben Tempo und immer neuen Sharing-Gegenständen auch Charakteristik der aktuellen Share-Economy-Bewegung. Keine einfache Ausgangslage für die Rolle von Städten. So warf Renate Amstutz, Direktorin des Schweizerischen Städteverbands die Frage auf, ob Sharing Economy ein Rezept mit Risiken und Nebenwirkungen sei. Plädierte aber im gleichen Atemzug für ein Abwägen zwischen Fördern und Regulieren und gewinnt der Sharing Economy insbesondere bei den ökologischen und sozialen Wirkungen Positives ab.

Ökonomische, soziale und ökologische Wirkung

Während die Sharing Economy mit neuen Wirtschaftszweigen eine vielfältige lebendige Stadt fördere, seien prekäre Arbeitsverhältnisse, Einschränkungen bei der Sicherheit sowie allfällige Absatzprobleme beim bewährten Gewerbe nicht wegzudiskutieren. Den grössten Vorteil sah Amstutz aber in den sozialen Wirkungen. Dabei hätte das Quartier als Kern jeder Stadt sowie als Handlungsort der Sharing Economy eine Schlüsselfunktion.

Mit Kleininitiativen können verschiedene Kulturen, soziale Schichten und Generationen integriert werden. Sicherheit könne gefördert werden, indem durch Sharing-Initiativen der Austausch und das soziale Miteinander in Quartieren gefördert werde.

Dieses sei unter anderem auch wichtiger Beitrag gegen die Radikalisierung sowie Vereinzelung in Städten.

Hochbeete und Cargo Bikes

Die ökologischen Wirkungen stehen bei den Sharing-Initiativen des Energiekonzepts 2050 der Stadt St.Gallen im Zentrum. Diese können nur erreicht werden, wenn damit soziale und ökonomische Nachhaltigkeit einhergeht. So soll nicht nur eine 2’000 Watt Gesellschaft angestrebt, sondern auch Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft in der Region erhalten bleiben. Strom, Wärme und Mobilität stehen dabei im Fokus.

Die Stadt St.Gallen setzt unter anderem auf zwei Kampagnen: In Hochbeeten im öffentlichen Raum pflegen und ernten Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Gemüse. Dies sei ein wenig wie mit dem Hund spazieren gehen, man treffe Leute und habe Spass, zitiert Karin Hungerbühler, stellvertretende Leiterin des Amtes für Umwelt und Energie der Stadt St.Gallen, eine Mitmacherin.

Eine weitere Aktion der Stadt sind die im letzten Jahr eingeführten Cargo Bikes. Diese Lastenvelos stehen während den Geschäftszeiten St.Galler Klein-Gewerbe zur Verfügung. Am Abend sowie am Wochenende können sie dann von Privatpersonen genutzt werden.

Neue Mobilitäts-Geschäftsmodelle

Dass Mobilität ein prominentes Sharing-Thema ist, zeigen zwei weitere Beispiele von Mobility und der Mobiliar. Mobility ist dabei nicht nur mit dem bekannten Modell der roten Autos als Genossenschafter ins Car-Sharing involviert. Bei catch a car [Anm. vom 16.8.2019: catch a car ist heute Mobility-Go] in Basel sind sie als Plattform- und Autoanbieter mit aktiv und bei sharoo als reiner Vermittler zwischen Autoanbieter und -Nachfrager.

Mit neuen Geschäftsmodellen rund um die Mobilität in Städten experimentiert auch die Mobiliar. Auf Basis von Datenanalysen hat das Unternehmen letztes Jahr drei Modelle mit Mitarbeitenden (B2E), Geschäftskunden (B2B) und Konsumenten (B2C) (www.smide.ch) entwickelt und getestet. Daten zu Nutzungszeit, -dauer, -ort sowie Wetter wurden erhoben und ausgewertet. Damit wurde beispielsweise erkannt, dass es verschiedene Nutzergruppen gibt (zum Beispiel Pendler oder Business User). Es hat sich gezeigt, dass sich die Nutzung des Angebotes verändert, umso mehr Erfahrung die Nutzer mit dem Angebot haben.

50 bis 100 teilbare Gegenstände pro Person

Neben Mobilität werden in Städten auch weitere Dinge geteilt. Von 10’000 Gegenständen, die ein Westeuropäer besitze, liessen sich ca. 50 bis 100 teilen, zitiert Andreas Amstutz von Sharely eine Studie des GDI. Je privater ein Gegenstand sei, desto weniger gern teile man den, fügt er an.

Passwörter, Unterhosen und Zahnbürsten sind beispielsweise Gegenstände, die besonders ungern geteilt werden.

Andreas Amstutz, sharely.ch

Neben Bohrmaschinen und Hochdruckreinigern findet man auf der Plattform auch VR-Brillen und 3-D-Drucker. Ob man mit einer solchen Plattform nicht auch den letzten privaten Bereich kapitalisiere wirft Amstutz als Frage gleich selber auf. Antwortet aber, dass man zuerst bei Familie und Freunden nach Leihgegenständen frage und erst dann auf eine Plattform wie Sharely zurückgreife. Diese sei also vor allem als Ergänzung zu bereits vorhandenen privaten Strukturen zu verstehen.

Städte haben eine grosse Hebelwirkung und können Mitgestalten

Dass Städte der perfekte Ort sind für Sharing-Initiativen zeigt auch die Geschichte. Teilen war in Städten schon immer Thema, man denke nur an die «Chäs-Teilet». Mit ihrer Bewohnerdichte und -anzahl sowie deren Vielfältigkeit (Diversität) haben Städte eine grosse Hebelwirkung und bieten neuen Entwicklungen wie die der Sharing Economy eine schnelle und grosse Umsetzbarkeit, erklärte Renate Amstutz, Direktorin des Schweizerischen Städteverbands.

Wie Städte nun die Potenziale der Sharing Economy mitgestalten können, fragte Dominik Georgi in seinem Referatstitel. Erste Ergebnisse aus dem von der Stiftung Mercator finanzierten Forschungsprojekt ShareCity geben Antwort: Sharing müsse Spass machen, Sharing-Nachfragende müssten den Anbietern vertrauen und Stadtbürgerinnen und -bürger deren Freunde auch bereits Sharing betreiben würden eher sharen als solche, die damit in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis alleine dastünden, beschrieb er exemplarisch die wichtigsten Einflussfaktoren des Sharing-Verhaltens. Emotionale Motive (Spass), Vertrauen und soziale Norm spielen also eine wichtige Rolle ob und wie Sharing betrieben wird.

Bei diesen Einflussfaktoren können die Städte ansetzen, wenn sie auf Sharing nicht nur reagieren, sondern eine gestaltende Rolle einnehmen wollen. So können sie beispielsweise Sharing-Initiativen in der Kommunikation unterstützen und dabei unterstreichen, dass diese Spass machen. Sie können das Vertrauen fördern, indem sie eine Art Qualitätsprüfung vornehmen und Initiativen Plattform geben, die auch vertrauenswürdig sind. Sie können Vorbild sein, indem beispielsweise der Stadtpräsident mit dem gesharten Elektro-Bike zur Arbeit fährt. Oder können auch den funktionalen Nutzen fördern, indem sie die Bus-Extraspur für Carsharing-Autos öffnen. Insgesamt, so Renate Amstutz, sei die Sharing Economy in dichten Bevölkerungsstrukturen Qualitätsförderung. Wichtig sei, ein Abwägen der Städte zwischen Fördern und Regulieren.

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